Will denn der Mensch nicht lernen

Will denn der Mensch nicht lernen

Das ist eine der vielen Fragen, die sich die Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse Geschichte, Französisch und Erdkunde der Jg. 12 stellen, als sie am 05. Februar, begleitet von ihren Lehrkräften Herr Berends, Frau Spürkmann und Frau Weinand den Ort besuchen, der vor über 100 Jahren Schauplatz einer grausamen Schlacht war: Verdun, genannt: Die Knochenmühle. Sinnbild für das Schlimmste, was ein Mensch ertragen kann.

Der Gang durch die Landschaft lässt erahnen, was hier passiert ist. Die ganze Region ist geprägt von Trichtern, Gräben, einer völlig kranken Natur, nur bedeckt von einer Gras-Narbe, verseucht durch die unzähligen Bomben und Granaten.

„Das hier ist das Dorf Fleury!“, so stellt Herr Berends den nächsten Teil des Programms vor. Ein Satz, der sich ins Gedächtnis brennt. Alle drehen sich um, aber dort ist NICHTS. Nichts - außer ein paar weißen Pfählen, auf denen steht, was dort einmal war: die Schule, die Handwerksbetriebe, die Bauernhöfe, all das, was ein Dorf mit Leben füllt.

Alles musste dem Wahnsinn, der Zerstörung weichen. Heute, in der Stille, ist nichts geblieben außer der Asche der dort einmal lebenden Menschen gemischt mit der Asche der gefallenen Soldaten und den Tränen derer, die trauern.

Im Mémorial sind es zu lesende Zitate und Briefe, die bedrücken und gleichzeitig all das ausdrücken, was der Ehemann, der Sohn, der Vater, der Freund, der Bruder, der Onkel dort erfahren musste. „Wir verbringen die Nacht in einem Granattrichter. Wir sterben fast vor Kälte.“

In einem Brief, den man gefunden hat, schreibt einer dieser Männer, fast genauso alt wie die Schülerinnen und Schüler, die es lesen müssen: „Mama, ich bin 20 Jahre alt und ich möchte nicht sterben.“ Aber der Tod lauert überall. Die unzähligen weißen Kreuze, die auf dem Gräberfeld stehen, sind der Beweis dafür. Jedes Kreuz trägt den Namen eines Menschen, der in dieser Todesmühle alles gegeben hat: seine Kraft, seine Jugend, sein Leben. „Meine lieben Eltern, ich liege auf dem Schlachtfeld mit einer Kugel im Bauch. Ich glaube, ich bin dabei zu sterben.“ Wie lange hat er wohl geschrien? Wie lange dauerte sein einsamer Todeskampf in diesem Sumpf?

Charles de Gaulle, der 50 Jahre später an diesem Ort steht, macht die Welt darauf aufmerksam, dass die hunderttausende der dort Gefallenen umsonst ihr Leben gelassen haben: „…en fin de compte, les fruits de leurs combats ne sont rien que des douleurs.“ Krieg ist nur Schmerz.

Diejenigen, die überlebt haben, werden immer damit leben müssen: „Für meinen Vater ist Verdun während seines ganzen Lebens ein Albtraum geblieben. Er wachte noch 30 Jahre später in der Nacht auf.“, so steht es dort, geschrieben von dem Sohn eines deutschen Soldaten von 1916.

Vor dem Fort Douaumont, bevorzugtes Ziel der Granaten in diesem Höllenszenario, versammeln sich noch einmal alle. „Die nasse Kälte ist an uns dort unten hochgekrochen.“, sagt eine Schülerin.


„Diese Zeiten sich noch einmal vorzustellen, ist unfassbar. Die Überreste zu sehen, das macht ein komisches Gefühl.“, so bringt im Bus ein Schüler seine Gedanken auf Papier. Und ein anderer schreibt: „Zwischen Stacheldraht und Gräbern ruhten auf bedrückende Weise hunderttausende Tote, doch der Krieg ruht auch heute nicht. Man muss zu dem Schluss kommen, dass ein grausames Mahnmal ignoriert wird. Will denn der Mensch nicht lernen?“

(M. Weinand)


Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Französisch unter Leitung von Frau Spürkmann haben nach dem Besuch von Verdun ihre Eindrücke in Briefen verarbeitet, als Post der Soldaten an diejenigen, die zu Hause auf sie warteten:

Ma chérie,
Ici, c’est l’horreur ! (…)

Ma main tremble en écrivant cette lettre, j’ai peur, j’ai soif, j’ai faim. Et il fait froid, très froid. (…) Pendant des jours, il faut qu’on reste dans les tranchées (…), les bombes s’explosent sans arrêt. Nous sommes sous le feu, on ne peut même pas sauver les soldats blessés. A cause de l’artillerie, les corps sont renversés et révélés encore et encore. Mon seul espoir, c’est l’omniprésence de Dieu. (…)
Pour toujours à toi,
Jean

(Lina Schmitz, Emma Gasthauer, Anne Hammer)


Chère maman,
(…) Hier, on est marché dans la boue pour trois jours, jusqu’à Fleury, un village près de Verdun qui a été attaqué et détruit par les Allemands. On est arrivé, mais papa était au bout du rouleau. On n’a pas mangé pendant ces trois jours, il était émacié. On a fait une pause dans une tranchée, elle ne devait durer que cinq minutes. Papa voulait seulement recharger son énergie. Il voulait continuer.
Nous ne l’avons pas vu venir. Je suis désolé maman, c’étaient ses dernières cinq minutes. (…) Papa est tombé au combat. Pour nous. Pour la France. Mais surtout pour toi. Ses derniers mots étaient qu’il t’aime : » Dis-lui que je l’aime ! » (…)

(Emma Weiske)


Mes chères,
(…) La guerre me détruit petit à petit. Je vois la mort chaque jour. L’odeur empoisonne l’air. (…) C’est l’enfer ! J’aimerais bien vous dire qu’on gagnera, mais je ne sais pas si Dieu va me permettre de vous envoyer encore une lettre. Maintenant je doute qu’il soit là pour nous protéger. (…) Ce contact avec vous est la seule chose qui me donne un sens à la vie. J’ai peur de ce qui m’attend.
Prenez soin de vous. Bises
Antoine

(Leora Dahmen, Mila Wodkiewicz)