Sozialpraktikum 2024
Herausforderungen meistern und persönlich wachsen -
ein Bericht über das Sozialpraktikum 2023/2024
Auch in diesem Schuljahr absolvierten alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 ihr Sozialpraktikum vom 15.01.24 bis zum 26.01.24.
Seit nun 21 Jahren ist es ein fester Bestanteil unserer Schule und in der Reflexions- und Präsentationsphase, die an den letzten Praktikumstag anschloss, bekam die Zuhörerschaft, bestehend aus Familie und Lehrkräften der Praktikantinnen und Praktikanten, viel Persönliches und Spannendes zu hören.
Ihr Sozialpraktikum sollten die Schülerinnen und Schüler in einer Einrichtung absolvieren, die dem Leitmotiv „Compassion“ gerecht würde.
Hinter diesem Wort verbirgt sich die Idee, Menschen in anderen, schwierigen Lebenssituationen zu erleben und mit diesen Menschen in unmittelbaren Kontakt zu treten, um die eigenen emotionalen und sozialen Kompetenzen zu schulen.
Von Krankenhäusern und Rehazentren, Altersheimen, Arbeitsstätten mit Beeinträchtigten und psychisch Kranken über die Bahnhofsmission bis hin zu Berufen des pädagogischen Bereichs wie integrativen Schulen und Kitas war vieles vertreten.
Genau wie die Schülerinnen und Schüler mit ihren Begabungen selbst verschieden sind, waren es auch ihre Tätigkeitsbereiche und Aufgaben in den Einrichtungen.
Sei es die Begleitung von Senioren und Demenzkranken oder Menschen mit Beeinträchtigung, Therapie von Personen und Kindern mit Lähmungen, das Mitwirken in Schulklassen, die sich von dem gewohnten Umfeld unterscheiden: verhaltensauffällige, sehbehinderte oder beeinträchtigte Kinder und Vieles mehr - genauso vielfältig wie das neue Arbeitsumfeld waren auch die Herausforderungen, denen sie begegneten und die Erfahrungen, die sie sammeln durften.
Ein Schüler, der sein Praktikum an einer Brennpunktschule absolviert hat, erzählte, wie gut ihm die Arbeit mit einem verhaltensauffälligen Schüler gefallen habe:
„Es war ein schönes Gefühl, zu wissen, dass er mich auf eine gewisse Art und Weise braucht.“, formulierte er es, „Ich war für ihn sowohl Autoritätsperson als auch Freund“.
„Es war schön, die Freude des Kindes zu sehen, als ich endlich verstanden habe, was es von mir wollte.“, berichtete eine Schülerin von dem gemeinsamen Spielen mit einem Kind in einer Kindertagesstätte. Außerdem sei es schön gewesen, die Talente und Stärken der Kinder kennenzulernen. „Es kann vielleicht nicht gut reden, dafür aber wunderbar zeichnen!“
Einige haben in ihrem Praktikum auch erfahren, wo sie an persönliche Grenzen stoßen. Der Suizidversuch einer stark Demenzkranken hat eine Schülerin emotional sehr herausgefordert. Doch auch, wenn der Gedanke daran noch immer belastend sei, könne man im Endeffekt auch aus solchen Situationen etwas lernen, so ihr Fazit.
Für eine andere Praktikantin war es erschütternd, als sie einen Mann mittleren Alters im Bundeswehrzentralkrankenhaus pflegen sollte, der durch einen Schlaganfall mitten aus dem Leben gerissen wurde. „Ich habe mich zuerst richtig hilflos gefühlt“, sagte sie, da es ihm nicht möglich gewesen sei, verbal zu kommunizieren. „Aber die Hilfe, die ich leisten konnte, hat etwas gebracht und die Bestätigung war ein schönes Erlebnis.“
Krebsdiagnosen bei Patientinnen und Patienten haben die dabei anwesenden Praktikantinnen und Praktikanten auch nicht kalt gelassen. „Diese Schicksalsschläge haben gezeigt, wie sehr man das Leben schätzen sollte - es kann sich schnell ändern.“
Trotz oder gerade wegen der Herausforderungen, denen sich die Schülerinnen und Schüler in ihrer Praktikumszeit stellen mussten, blieben auch die schönen Momente und Erfolgserlebnisse deutlich in Erinnerung.
Sei es, wie ein vierjähriger Junge, der bis dahin nicht laufen konnte, erste Schritte geht, Menschen sich plötzlich öffnen und es zu tiefgründigen Gesprächen kommt oder Erfolge auf dem Weg in den selbstständigen Alltag erreicht werden - all das und vieles mehr bewegte die Schülerinnen und Schüler nachhaltig.
Somit entwickelten sie in der Praktikumszeit nicht nur ihre sozialen Kompetenzen weiter, sondern auch eine dankbare Haltung gegenüber vielem, was oft so selbstverständlich scheint.
Auch in persönlichen Einstellungen und Lebenshaltungen waren ihnen die Menschen, mit denen die Schülerinnen und Schüler Umgang pflegten, häufig ein Vorbild.
Praktikantinnen und Praktikanten, die mit beeinträchtigten Erwachsenen und Kindern gearbeitet hatten, betonten die Wertschätzung und Dankbarkeit, die viele selbst kleinen Gesten und Momenten entgegenbrachten.
Der Kampfgeist einiger Menschen, die sich aufgrund von Lähmungen oder anderen schweren Schäden in der Therapie befanden, hinterließ Eindruck.
Aus dem Hospiz wurde von der Akzeptanz des Todes berichtet und von dem Erlebnis, dass der Abschied zwar sehr traurig sei, aber die letzte Lebensphase keineswegs eine dunkle Zeit sein müsse, sondern auch durchaus schöne Momente beinhalten könne.
Es wurde von dem guten Miteinander eines ukrainischen Soldaten und einer russischen Frau berichtet, die sich gemeinsam in der Sporttherapie befanden.
Auch die Fachkräfte in den Einrichtungen waren den Schülerinnen und Schülern oft ein Vorbild in ihrer Kommunikation mit den Menschen - wovon sie für sich persönlich lernen konnten.
Vielen wurde auch bewusst, wie herausfordernd und kräftezehrend viele Pflegeberufe sind. „Manche Patienten sind immer gut drauf, anderen kann man es nie recht machen - vor den Pflegerinnen und Pflegern sollte man wirklich Respekt haben“.
„Oft konnte man keinen Sinn in dem Verhalten von Demenzkranken erkennen.“, so ein Schüler, „Es gibt keine Anleitung, mit dieser Krankheit umzugehen. Aber man kann sogar mit Patienten gemeinsam über ihre Krankheit lachen.“
Obwohl zuerst nicht nur Freude, sondern auch Skepsis gegenüber dem Sozialpraktikum herrschte, war das Fazit der Gruppe doch rundum positiv:
„Es waren wertvolle Erfahrungen, die bei einem Berufspraktikum nicht vorhanden oder zumindest anders gewesen wären.“
Die Schülerinnen und Schüler durften viele wichtige Kompetenzen erlernen und auch nicht selten den Blick auf ihre Mitmenschen verändern.
„Meine Behinderung macht mich besonders, ich bin besonders, wir sind besonders“, so gab eine Schülerin die bewegende Aussage eines Kindes wieder.
„Ich war mir immer unsicher, wie ich Menschen mit Einschränkungen begegnen sollte. Mitleidig? Fröhlich? Jetzt weiß ich - fröhlich! Denn sie selbst nehmen es eigentlich gar nicht unbedingt als Einschränkung wahr!“
„Ich nehme mit in meinen Alltag, dass man jeden Menschen mit derselben Güte und Freundlichkeit behandeln sollte.“, formulierte ein Schüler sein persönliches Fazit.
Die Kompetenzen, welche die Schülerinnen und Schüler in ihrem Praktikum erlernen und weiterentwickeln konnten sind sowohl für sie persönlich eine Bereicherung, als auch für das gesellschaftliche Leben unverzichtbar - denn Akzeptanz und die Fähigkeit, einander auch mit Unterschieden freundlich, offen und hilfsbereit zu begegnen, ist ein wichtiges Standbein unserer Gesellschaft, das stark bleiben muss.
Ein Sprichwort fasst die persönlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler recht gut zusammen:
„Die Komfortzone ist ein schöner Ort, aber nichts wird jemals darin wachsen.“
Ob das nun zutrifft oder nicht, fest steht zumindest, dass die Schülerinnen und Schüler gewagt haben, persönliche Grenzen zu überschreiten, um einen Dienst an Menschen zu leisten und daran persönlich zu wachsen.
Anna-Lena Neufeld, MSS 12