,,Wer viel liest und viel reist, sieht vieles und erfährt vieles.“
Dieses Zitat beschreibt den diesjährigen Austausch unserer Schule mit dem Colegio Alborada in Alcalá wohl sehr gut. Denn durch unsere Reise in die Nähe von Madrid haben wir vieles gesehen und erfahren. Wir, das sind 24 Schülerinnen und Schüler aus der elften und zwölften Klasse, die für neun Tage in den spanischen Alltag einer Gastfamilie eintauchen und so die spanische Kultur hautnah erleben durften.
Mit einer großen Portion Aufregung und Vorfreude sowie etwas Müdigkeit und ein wenig Respekt vor dem Unbekannten trafen wir uns am Mittwoch, den 12. April 2023 um 05:15 Uhr am Koblenzer Hauptbahnhof. Doch eigentlich begann unsere Reise schon ein paar Tage vorher mit den Fragen ,,Welchen Koffer nehme ich mit?“, ,,Was packe ich ein?“, ,,Wie wird wohl das Wetter werden?“ und ,,Was bringe ich als Gastgeschenk mit?“. Es waren Fragen, auf die jeder eine individuelle Antwort fand und wir somit mehr oder weniger gut vorbereitet in das Abenteuer ,,Spanien“ starten konnten. Mit dem Zug ging es zum Frankfurter Flughafen, wo wir pünktlich (!) ankamen. Nach ein paar Unschlüssigkeiten, wo wir denn jetzt genau hinmüssen, checkten wir ein und stellten (teilweise) schockiert fest, dass unsere Plätze im ganzen Flugzeug verteilt waren. Dank netter Sitznachbarn konnten diese jedoch oftmals getauscht werden und so wurde die Flugangst gemeinsam überwunden oder ein paar spanische Begrüßungssätze gelernt. Diese wurden nur in den wenigsten Fällen ge-braucht, aber man wollte ja vorbereitet sein. Vorbereitet? Auf was? Auf äußerst gast-freundliche Familien, die einen für eine Woche aufnahmen, ohne sich vorher auch nur einmal wirklich gesehen zu haben? Auf genauso aufgeregte spanische Schülerinnen und Schüler, die mit viel Essen auf uns warteten? Auf tolles Wetter, was man in Spa-nien als Frühling bezeichnet, zu dem wir aber Sommer sagen? Auf ungewöhnliche Essenszeiten? Auf doppelt so laute und doppelt so viel redende Menschen oder doch eher auf Gelassenheit und der damit verbundenen Unpünktlichkeit...?
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass man nie perfekt vorbereitet sein kann, auf all das, was einen bei einer solchen Erfahrung erwartet. Hinzu kommt, dass wir (bis auf ein paar Muttersprachler) erst seit eineinhalb Jahren bzw. einem halben Jahr Spanisch lernen. Da lag die Hoffnung natürlich bei unseren Austauschpartnerinnen und Austauschpartnern, die schon seit 6 Jahren die deutsche Sprache erlernen.
Als wir in Madrid in den Bus Richtung Alcalá stiegen, war die Aufregung so groß, dass es gut war, dass uns die Spanier im Bus nicht verstanden. Wir redeten durcheinander und stellten uns hunderte Fragen, ob wir uns irgendwie verständigen können, ob wir uns beim ersten Aufeinandertreffen umarmen sollen, was der Plan für den Rest des Tages ist, wann wir unsere deutschen Freunde das nächste Mal sehen, ob wir klar kommen, so ganz alleine in einem fremden Land, ob uns das Essen schmecken wird, durch wie viele Kreisverkehre wir denn noch fahren und wann wir denn jetzt endlich da sind? Schließlich kündigte Herr Holstegge aus Versehen eine Haltestelle zu früh an, dass wir raus müssen, wodurch die Nervosität und Spannung noch mehr stieg. Als der Bus dann an der richtigen Haltestelle hielt und über 20 junge Menschen in Schuluniform auf uns zu liefen und uns ganz herzlich begrüßten, waren alle Fragen vergessen, die Nervosität für einen kurzen Moment erloschen und einfach alles gut. Wir trafen die Menschen, mit denen wir seit zwei Monaten in Kontakt standen, mit denen wir uns über so vieles ausgetauscht hatten und die wir nun endlich kennen-lernen durften. Für die nächsten acht Tage tauchten wir in eine Welt ein, die uns nicht nur physisch sondern auch psychisch weit von zu Hause wegbrachte. Eine Welt, in der erst gegen 21:30 Uhr zu Abend gegessen wird, in der die Schule erst um 09:00 Uhr beginnt, in der man meinen könnte, dass die Schülerinnen und Schüler Gleitzeit ha-ben, in der zum Frühstück die Salami und der Schinken einfach ohne Brot gegessen werden, in der die Deutschsprechenden wissen, wie man den Konjunktiv I und II richtig bildet, in der es morgens um 08:00 Uhr nur 10°C sind und dann aber ab 12:00 Uhr mit Temperaturen bis zu 28°C zu rechnen ist. In einer Welt, in der man so schnell zu-sammen wächst, in der Austauschpartner zu Freunden werden und in der der Spaß am gemeinsamen Erkunden, Lernen und Erleben nicht aufhört. Durch ein ab-wechslungsreiches Programm trafen wir in Madrid auf Pablo Picassos Gemälde ,,Guernica“, was uns zu eigenen Bildern inspirierte, lernten Alcalás berühmten Sohn Cervantes und dessen Roman ,,Don Quijote“ kennen, erfuhren, warum der Doktortitel an der Universität in Alcalá so etwas Besonderes war, was man sagen muss, wenn man Pommes bestellen möchte, damit man am Ende nicht mit einer Tüte Chips dasteht, beobachteten interessiert oder skeptisch den Matheunterricht in der Schule und waren überrascht, dass sogar der Sportunterricht in gleicher Kleidung stattfand. Als dann am letzten Abend ein Fest in der Schule veranstaltet wurde, zu dem es eine riesige Paella gab und wir zusammen auf dem Schulhof saßen, realisierten wir erst so langsam, dass es am nächsten Tag zurück ging und diese Woche schon vorbei ist. Es fühlte sich nicht an wie eine Woche, sondern eher wie ein, zwei Tage und gleichzeitig wie mehrere Monate, aber definitiv nicht wie eine Woche. Es war komisch zurück zu müssen, nur noch die deutsche Sprache zu hören, wieder in seinem Bett aufzuwachen und unsere Freundinnen und Freunde, mit denen man jeden Tag gemeinsam verbracht hatte, zurückzulassen. Es hat seine Zeit gebraucht, wieder zu Hause anzukommen und in den Alltag zurückzukehren. Auch wenn die ein oder andere Sache Überwindung gekostet hat, man sich erst an bestimmte Dinge gewöhnen musste, so sind wir alle sehr dankbar für diese Erfahrung und freuen uns jetzt schon auf den Besuch der 'Spanier' im Juni. Ein ganz großes Dankeschön an all die Menschen, die diesen Austausch so unvergessen gemacht haben: An die Eltern und Geschwister, an die 'Spanier' und die 'Deutschen' und an die Lehrerinnen und Lehrer, besonders an Britta, Frau Schlüter, Herrn Holstegge und seine Frau! Danke, dass uns so viele Fragen beantwortet wurden und danke, dass wir so viele neue gestellt bekommen haben.
Athina Zisgen