Erfahrungsbericht über die Exkursion zur Euthanasie-Gedenkstätte Hadamar am 16.06.2023
"Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die
Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach
menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres
Krankenzustandes der Gnadentod gewährt werden kann."
("Euthanasie"-Ermächtigung Adolf Hitlers, Oktober 1939)
Durch diese, von Adolf Hitler persönlich verfasste und unterzeichnete Ermächtigung, wurde die damalige
„T4“, die systematische Ausrottung physisch und geistig eingeschränkter Kinder, aber auch Erwachsener
Menschen, legitimiert und auch kurzfristig in die Tat umgesetzt. Dazu wurden insgesamt sechs sog.
„Tötungsanstalten“ alleine in Deutschland errichtet, die oft als Heilanstalt oder Behindertenheime getarnt
waren.
Eine dieser Tötungsanstalten wurde ganz in der Nähe von Koblenz errichtet, in Hessen am Fuße des
Westerwalds, in Hadamar. Die auf dem Mönchberg liegende ehemalige Tötungsanstalt war bis März 1945
unter der Führung der Nationalsozialisten, die Anfangs durch die „Aktion T4“ und ab 1942 durch die
„Dezentrale Euthanasie“ Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Erkrankungen ermordet
haben, in Betrieb. Die Nationalsozialisten rechtfertigten diese grausamen Taten mit der Begründung, die
Menschen durch den Gnadentod (altgriechisch: Euthanasie) von ihrem „lebensunwerten“ Leben erlöst zu
haben.
Die Menschen mit Einschränkungen, die von Januar bis September 1941 in Hadamar eintrafen, wurden im
Rahmen der zentral gesteuerten „Erwachseneneuthanasie“, später auch bekannt als „T4“, an dem Tag ihrer
Ankunft durch das Gas Kohlenmonoxid ermordet und anschließend im Keller der Tötungsanstalt verbrannt.
Die genaue Todesursache wurde vor den Angehörigen unter Verschluss gehalten. Diese bekamen meist
einige Wochen später ein Trostschreiben, in dem über den „plötzlichen Tod“ des geliebten Angehörigen
informiert wurde.
In dieser Zeit wurden im Rahmen der „zentralen Euthanasie“ Bewohner von Behindertenheime mit
individueller Einstufung als Arbeitsunfähig unter dem Vorwand einer Verlegung in die ihnen zugeordneten
„Tötungsanstalten“ gebracht. So kamen zum Beispiel die in Hadamar ermordeten Opfer aus Berlin,
Andernach, Herborn oder Grafenberg. Alleine von Januar bis September 1941, also in neun Monaten,
wurden so ungefähr 10.000 Menschen in Hadamar ermordet.
Während der „dezentrale Euthanasie“ (1942-1945) kamen rund 5.000 Menschen dort ums Leben. Jetzt
waren aber auch Kinder unter den Opfern.
Das planmäßige Töten erfolgte durch mangelnde Pflege und fehlende ärztliche Versorgung. Die Schwachen
oder Arbeitsunfähigen wurden somit ermordet, denn „sie führten ein lebensunwertes Dasein“, so die
Nationalsozialisten. Die noch Arbeitsfähigen wurden zu harter Arbeit gezwungen, wie zum Beispiel Gräber
ausheben. Im März 1945 wurde Hadamar, wie die meisten Tötungsanstalten auch, von US-amerikanischen
Truppen erreicht.
Bis heute steht auf dem Mönchberg in Hadamar eine Gedenkstätte, die wir im Rahmen unseres
Religionsunterrichts am 16.06.2023 besucht haben. Wir, die Klasse 10a unter Aufsicht von Herrn Reitz und
Frau Weinand, fuhren mit dem Zug ins nahegelegene Hadamar. Dort angekommen, führte Frau Sucké,
Mitarbeiterin der Gedenkstätte, durch den dreistündigen Workshop. Der Workshop beinhaltete
Biografiearbeiten, einen informativen Vortrag und einen Rundgang durch die ehemalige Anstalt. Zu Beginn
erarbeiten wir uns einen Überblick über die immer noch anhaltende Thematik der systematische
Ausschließung von Menschen mit geistigen und körperlichen Defiziten. Dazu wurden uns im Workshop
Zitate vorgelesen, die wir dann einem Jahr zwischen 1880 und 2020 zuordnen sollten. Schnell wurde
deutlich, dass auch bis heute Menschen mit diesen Defiziten benachteiligt und ausgegrenzt werden.
Nach dieser erschreckenden Erkenntnis, führte uns Frau Sucké durch die frühere Anstalt. Zum Großteil
waren die Räume renoviert, so dass wir heute eine Ausstellung anstatt der damaligen Auskleide- oder
Ankunftsräume vorfanden. Manche Orte wurden jedoch nicht renoviert, wie zum Beispiel die Scheune, in der
die Busse mit den „Patienten“ ankamen sowie der Keller, indem die Gaskammer und die Verbrennungsöfen
standen. Als uns Frau Sucké durch diese Räume führte, merkte man förmlich das Unwohlsein, welches auf
einem, besser gesagt auf unserer ganzen Gruppe lag. Die Atmosphäre innerhalb unserer Gemeinschaft
änderte sich schlagartig hin zu Bedrückung und Beklemmung. Man weiß nun, was sich damals in diesen
Räumen abgespielt haben muss und man weiß auch, wie die Opfer sich damals gefühlt haben müssen, als
sie an der selben Stelle wie wir standen. Und in diesem Moment wurde uns allen noch einmal bewusst, dass
so etwas nicht noch einmal Geschehen darf!
Als letzten Workshopteil stellte unsere Kursleiterin uns sog. „Memory Boxen“ zur Verfügung. In diesen Kisten
befand sich eine Biografie sowie etwa sechs bis zehn Gegenstände, die auf die Person, der die jeweilige
Kiste gewidmet war, abgestimmt waren. Durch diese Kisten erfuhr man individuelle Geschichten von den
Menschen, die in der Zeit von 1941-1945 in Hadamar ums Leben kamen. Wir lasen Biographien von Kindern
(8-10 Jahre) aber auch von Erwachsenen Menschen, die wegen ihres Verhaltens oder wegen ihrer
psychischen Erkrankung nach Hadamar „verlegt“ wurden.
An diesem Freitagnachmittag lernte ich sehr viel über das Thema Euthanasie/Krankenmord in der Zeit des
Nationalsozialismus. Es war hilfreich, die Informationen vor Ort zu bekommen und im Workshop zu
verarbeiten. Es war interessant und gleichzeitig auch sehr erschreckend zu sehen, wie eine
Menschengruppe nur wegen ihres Verhaltens oder ihres gesundheitlichen Zustandes ausgeschlossen
werden kann. Wie Menschenverachtend wir Menschen doch handeln können. Und wie die „Nützlichkeit“
einer Person über Leben und Tod bestimmen kann.
Unserer Generation ist bewusst, dass die Zeit des Nationalsozialismus niemals wieder eintreten darf. An
Beispielen wie Hadamar wird die Wichtigkeit dieser Botschaft mehr als deutlich. Doch leider ist nicht allen
die enorme Bedeutung dieser Thematik bewusst. Kritische Kommentare gegenüber gewissen
Menschengruppen sind in der heutigen Zeit nicht ungewöhnlich, also ist es umso wichtiger, das Wissen über
solche grausame historische Ereignisse weiterzugeben, so dass alle Menschen informiert bleiben.
Zum Abschluss kann man sagen, dass die Exkursion nach Hadamar nur das bestätigt hat, was schon immer
klar war. Wir müssen unsere Mitmenschen würdigen und für sie einstehen, insbesondere auch dann, wenn
sie es selbst nicht können. Jeder Mensch hat das gleiche Recht und ist nicht weniger Wert, nur weil er/sie
anders ist. Alle Menschen müssen mit Würde geachtet und behandelt werden.
Klasse 10a - Lia Sophie Huwer