Exkursion in das Haus des Erinnerns nach Mainz

Exkursion des Grundkurses Geschichte der MSS 13 in das Haus des Erinnerns nach Mainz

Von David Meyer, MSS 13

So etwas darf nie wieder passieren!“ - Darüber waren sich die Schülerinnen und Schüler des Grundkurs Geschichte unter der Leitung von Herrn Haag einig, nachdem sie sich am Dienstag, den 31.01.2023, im Zuge einer Exkursion in Mainz mit der systematischen Verfolgung und Ermordung der Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus befasst haben.

Haus des Erinnerns für Demokratie

Nachdem wir zur Mittagszeit am Hauptbahnhof in Mainz angelangt waren, begaben wir uns zum „Haus des Erinnerns - für Demokratie und Akzeptanz“, das von einer ehemaligen Schülerin des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums Koblenz, Frau Dr. Cornelia Dold, geleitet wird. Dort wurden wir herzlich empfangen und besichtigten nach einer kurzen Einführung die Ausstellung „Nichts war vergeblich. Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus.“

Wir erfuhren von mutigen Frauen, die heimlich Flugblätter verteilten, nachts Markierungen gegen das nationalsozialistische Regime auf den Straßen hinterließen oder auf anderem Wege unter Lebensgefahr Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten. Heute, rund 80 Jahre später, können wir erkennen, wie wichtig diese Risikobereitschaft war, um die Wahrheit in einer durch Gleichschaltung manipulierten Gesellschaft zu verbreiten.

Die neue Synagoge in Mainz

Trotz des nass-kalten Wetters führte uns Henrik Drechsler, ein Mitarbeiter des Haus des Erinnerns, im Anschluss „auf den Spuren des Nationalsozialismus“ durch die Mainzer Neustadt. Dabei stand die Verfolgung der Jüdinnen und Juden im Mittelpunkt. Insbesondere durch die exemplarischen Biografien der Familien Salomon und Jorgensen sowie das Aufsuchen von deren Wohnungen, der ehemaligen Gestapostelle oder aber auch der neuen Synagoge in Mainz, wurde uns die Verfolgung und Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus nahezu bildlich vor Augen geführt. Dabei war es ein merkwürdiges Gefühl, an den Orten zu stehen, an denen vor weniger als einem Jahrhundert die jüdische Minderheit aufgesucht und, bis zur Deportation in Konzentrationslager, gefangengehalten wurde.

Um all diese Eindrücke, die sich während des Stadtrundgangs angesammelt haben, zu reflektieren, begaben wir uns um 16 Uhr zurück zum Haus des Erinnerns. Dort sprachen wir auch über den modernen Antisemitismus, der sich einerseits direkt durch kontinuierlich zunehmende antisemitische Straftaten in Deutschland, andererseits aber auch durch die Verharmlosung in Zeiten der Corona-Pandemie, etwa durch das Anstecken eines Judensterns mit der Aufschrift „ungeimpft“, ausdrückt. Dabei wurde uns Schülerinnen und Schülern bewusst, dass es auch heute noch von elementarer Bedeutung ist, über die systematische Verfolgung und Ermordung der Juden im Nationalsozialismus zu sprechen und dies im Unterricht zu thematisieren, da es „immer noch Ausgrenzung von Juden [gibt]“ und der Holocaust in Teilen der Gesellschaft immer wieder verharmlost wird.

Eva Szepesi berichtet von ihrer Gefangenschaft im KZ Auschwitz-Birkenau

Nach einer kurzen Pause fand in der neuen Synagoge in Mainz der von allen sicherlich mit der meisten Spannung erwartete Programmpunkt statt: Das Zeitzeugengespräch mit Eva Szepesi, die im Alter von zwölf Jahren in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. In der Synagoge hatten sich an die zweihundert Menschen verschiedenster Herkunft versammelt, um an diesem Abend der ehemaligen Auschwitz-Insassin zuzuhören und Fragen zu stellen. Als Eva Szepesi die Bühne betrat, wurde es recht augenblicklich still und eine gewisse Anspannung im Raum war zu spüren. Zunächst las die Holocaust-Überlebende aus ihrem Buch vor, das zunächst die Ausgrenzung Eva Szepesis in ihrer Jugend und ihre Flucht aus der Heimat in Ungarn, bei der sie ihre gesamte Familie zurücklassen musste, beleuchtet. Im weiteren Verlauf des Buches schilderte Szepesi dann auch detailliert die Atmosphäre im Viehwaggon, mit dem sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden ist, sowie Eindrücke aus dem Konzentrationslager, die mit einer solchen Bildlichkeit beschrieben wurden, dass man sich als Zuhörer unmittelbar in die Situation der damals zwölfjährigen Eva Szepesi hineinversetzen konnte und somit, durch die Augen des jungen Mädchens schauend, von einer Welle der Emotionen ergriffen wurde. Merkwürdigerweise war das vorwiegende Gefühl einiger Schülerinnen und Schüler aber weder Trauer noch Schock, sondern primär innerliche Verbundenheit und Mitgefühl mit dieser beeindruckenden Frau.

Nachdem Eva Szepesi der Zuhörerschaft durch das Vorlesen aus ihrer Autobiografie einen Eindruck von der glücklichen Kindheit bis zur Gefangenschaft in Auschwitz-Birkenau verschafft hatte, war sie nun bereit, in Begleitung ihrer Tochter, Fragen der Schülerinnen und Schüler sowie anderer Besucher zu beantworten. Dass ihre Tochter sie bei der Beantwortung der Fragen unterstütze, ist unüblich für ein Zeitzeugengespräch, sorgte aber umso mehr dafür, die Auswirkungen auf die darauffolgenden Generation zu schildern.

Die Schülerinnen und Schüler hören Eva Szepesi aufmerksam zu und stellen Fragen

So äußerte die Tochter, dass ihre Mutter bis zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 50. Jahrestags der Befreiung, die am 27.01.1995 in Auschwitz stattfand, niemals über ihre Zeit im Konzentrationslager gesprochen habe. Doch nachdem sie vor Jugendlichen aus der jüdischen Gemeinde von ihren Erfahrungen berichtet hatte, entschloss sie sich dazu, als Zeitzeugin zur Verfügung zu stehen.



Mich persönlich beeindruckt hat die Antwort Eva Szepesis auf die Frage „Was hat Ihnen in der Zeit in Auschwitz-Birkenau Hoffnung und Kraft gegeben?“

Sie erklärte, dass sie immer die Hoffnung gehabt habe, nach Hause zu gehen und ihre Familie wiederzusehen und dass ihr dieser Gedanke die Kraft gegeben habe, zu überleben. Auch heute gebe ihr der Rückhalt ihrer Familie Kraft in schwierigen Zeiten. Als besonders beindruckend empfunden haben alle Schülerinnen und Schüler die Antwort auf die Frage: „Hassen Sie die Deutschen oder haben Sie die Deutschen gehasst?“

Eva Szepesi antwortete souverän, dass sie zwar niemals vergessen könne, manchmal auch Wut oder Trauer empfinde, aber nicht hassen könne, da sie auf Grund ihrer glücklichen Kindheit so voller Liebe sei. Die Stärke, Positivität und der innere Frieden der 91-Jährigen machten großen Eindruck auf die Zuhörerschaft.

Nach Ende des Zeitzeugengesprächs, auf dem Rückweg zum Mainzer Hauptbahnhof, tauschten sich die Schülerinnen und Schüler, insbesondere bewegt von den Eindrücken des Zeitzeugengesprächs, über die Erkenntnisse der Exkursion aus und reflektierten die Eindrücke.

Gegen 22:30 Uhr, nach einem langen, aber sehr prägenden und lehrreichen Tag, erreichten wir schließlich den Hauptbahnhof in Koblenz.

Im Nachgespräch, das am darauffolgenden Dienstag stattfand, bezeichneten die Schülerinnen und Schüler den Abend als „sehr berührend“, aber auch als „sehr beeindruckend“. Man war der Meinung, dass es „wichtig [ist], daran zu erinnern“, da es „immer noch Ausgrenzung von Juden [gibt]“.

Frau Dr. Cornelia Dold, Hernrik Drechsler und Herr Haag im Gespräch

Auch Herr Haag gab seine Meinung ganz persönlich ab und bezeichnete das Gespräch als „sehr bewegende[n] Moment“, der „Geschichte greifbar [macht]“. Auch wies er darauf hin, dass dieser Anlass eventuell die „letzte Gelegenheit“ zu einem Zeitzeugengespräch gewesen sein könne und betont daher umso mehr, dass dieser Tag „unvergessen bleiben [wird]“. Des Weiteren erklärt er, dass es sich bei diesem Zeitzeugengespräch um eine „Dimension [handelt], die man im Unterricht nicht erreichen kann“ und die auch mittels eines Interviews im Fernsehen nicht ersetzt werden könne.

Als persönliches Fazit kann ich sagen, dass der Tag in Mainz sehr informativ und bereichernd, aber auch durchaus berührend war und zum Nachdenken angeregt hat. Immer wieder, stellte ich mir die Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus vor, wie sie zunehmend ausgegrenzt, dann deportiert und letztendlich mittels grausamer Methoden von den Nationalsozialisten systematisch ermordert wurden. Das Gefühl, das ich in solchen Momenten verspürte, lässt sich nur schwer beschreiben, doch es ist vermutlich eine Mischung aus Trauer, Mitgefühl und innerer Verbundenheit mit den Opfern des Nationalsozialismus, für die Eva Szepesi an diesem Abend auch stellvertretend sprach.

Auch wenn unsere Generation heute keine direkte Schuld mehr an den Gräueltaten der Nationalsozialisten trägt, ist es in meinen Augen dennoch von immenser Bedeutung, dass wir als Gesellschaft den Holocaust und die Ausgrenzung, Verfolgung und systematische Ermordung von Millionen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere in Anbetracht steigender antisemitischer Straftaten in Deutschland, niemals in Vergessenheit geraten lassen. Es ist wichtig, dass wir nicht nur heute, sondern auch in Zukunft über solche Schicksale sprechen und uns kritisch mit den Fehlern der Vergangenheit auseinandersetzen, damit sich dieser entsetzliche Abschnitt in der Geschichte niemals wiederholen wird.

Abschließend möchte ich mich im Namen des Grundkurs Geschichte noch einmal herzlich bei Frau Dr. Cornelia Dold bedanken, die uns an diesem Tag ein informatives, spannendes und nahegehendes Programm zusammengestellt und uns das Zeitzeugengespräch mit Eva Szepesi, eine unvergessliche Erfahrung, ermöglicht hat. Außerdem geht der Dank des Grundkurs Geschichte auch an Herrn Haag, der mit der Idee einer Exkursion zum Haus des Erinnerns in Mainz aufkam und diese organisiert hat. Diese wahrscheinliche einmalige Möglichkeit wird allen Schülerinnen und Schülern, die an diesem Tag anwesend sein durften, unvergessen bleiben!