Wenn der Heilige Geist durchs WLAN weht
Anfang Januar 2021, der Lockdown ist verlängert, weit über die Weihnachtsferien hinaus. Nichts geht mehr, außer es ist digital. Auch unser Frühschicht-Team fühlt sich ziemlich ausgebremst: Die Frühschichten im Advent mussten wir abbrechen, neue Termine sind nicht in Sicht. Und überhaupt, wie soll das gehen? Bis sich wieder Menschen unterschiedlichster Lerngruppen zu unserer Frühschicht, der liebgewonnenen Morgenandacht freitags um sieben in der Schulkapelle versammeln dürfen, können Monate vergehen!
Da schreibt Sophie aus der 8c über die Schulcloud: „Meine kleine Schwester meint, Gottesdienste könnte man doch auch über das Internet feiern: ´Die Lehrerin zündet bei sich eine Kerze an, und wir machen das dann zuhause.´ “ Recht hat sie! Eine halbe Stunde spazieren gehen, und eine neue Veranstaltungsidee ist geboren: „Open up im Lockdown“, die welt-erste virtuelle Frühschichtreihe.
Das Frühschicht-Team, ein munteres Trüppchen von zehn Schülerinnen und Schülern der Mittel- und Oberstufe, ist mit Feuereifer dabei, sodass wir schon am 15. Januar die erste Online-Frühschicht unserer Schulgeschichte über Big Blue Button, unser virtuelles Klassenzimmer, feiern können. Damals wussten wir noch nicht, dass wir die Veranstaltungsreihe bis zum Ende des Wechselunterrichts am 11. Juni durchhalten würden. Am Ende wurden es 18 Früh-, im Wechselunterricht dann Spätschichten, zu denen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Großeltern, Tanten und Onkels, Geschwister sowie Freundinnen und Freunde unserer Schule eingeladen waren. Zwanzig bis vierzig Menschen waren jedes Mal dabei, die Altersspannweite reichte von 1 bis mindestens 87 Jahre. Und erst die räumliche Spannweite: Oma Eva aus Hamburg war genauso zugeschaltet, wie Freunde aus Mainz oder Bornheim. Und bei einer Frühschicht im Februar übersprangen wir sogar die Zeitzonen: Unsere Schülerin Leni, die mit ihren Eltern für einige Jahre in Südafrika ist, nahm von Kapstadt aus bei „Open up“ teil, sie im T-Shirt, wir noch im Wollpullover. So geht geistliche Gemeinschaft im Jahr 2021! Die lieben Gesichter von Menschen, denen viele von uns noch nie direkt begegnet sind, die Familien auf dem Sofa vor dem Rechner, die Namen auf der Teilnehmerliste – wir haben sie in einem halben Jahr „Open up im Lockdown“ richtig liebgewonnen!
Jeden Freitag um 7.10 Uhr wurden die ersten verschlafenen Teilnehmer mit unserem Motto-Lied „Open up“ von Matt Simons begrüßt, dass Simon oder David einblendeten. Nach der Begrüßung gab es dann für alle eine christliche Yoga-Übung, das Kreuzzeichen mit dem Körper gebetet, wichtig, damit jeder selbst dabei ist und nicht nur auf einen Bildschirm starrt. Mitmachen, nicht nur zuhören, das war das Motto: Wir sangen gemeinsam Lieder, aus unserem Wohnzimmer zur Gitarre vorgesungen, alle anderen hatten ihre Mikros aus, man konnte sie aber über ihre Kameras mitsingen sehen. Noch kommunikativer wurde es jedes Mal beim Vaterunser: Wenn alle ihre Mikros einschalten, wird das Gebet Jesu zu einem herrlich lebendigen Stimmensalat! Und die Fürbitten erst: Jeder konnte seine freie Bitte einfach mit den anderen teilen.
Das Frühschicht-Team, das sich selbst jede Woche zur Vorbereitung nur über das Internet treffen konnte, brachte zu immer neuen Themen eigene Gedanken, Texte und Alltagstipps ein. Immer waren es Fragen, die uns selbst beschäftigen: Sie handelten vom Umgang mit Ängsten, von der Dankbarkeit, von der Notwendigkeit der Stille, vom Osterlachen oder dem inneren Feuer, von der Hoffnung, der Liebe, vom Zweifeln und Glauben oder bei der Misereor-Aktion von neuen Lebensweisen der Menschen in Bolivien. Mit unseren Themen suchten wir nach Wegen, wie man auch im Lockdown geöffnet und fröhlich bleiben kann. Und wir blieben in Verbindung mit Jesus, der zu all diesen Fragen den notwendigen Anstoß geben kann.
So wurde „Open up im Lockdown“ zu einer wunderbaren Erfahrung, die uns folgende drei Dinge gelehrt hat:
1.) Es geht auch anders: Das Leben, auch im Lockdown, ist immer das, was wir daraus machen, und wir lassen uns nicht bremsen. 2.) Das Wichtigste ist immer, in Verbindung zu bleiben. 3.) Der Heilige Geist weht auch durchs WLAN.
Beatrix Mählmann