Münsterfahrt der 12er-Kurse Biologie und Deutsch
Auf den Spuren der Droste
Die Münsterfahrt der 12er-Kurse Biologie und Deutsch
Wohin geht`s? Was machen wir?
Wir träumten schon von Prag, Rom oder Polen
und wussten nicht, dass die Lehrer Münster holen.
„Münster ist jofel“, sagte der Lehrer,
denn er ist und bleibt ein Münsterverehrer.
Münster war einst seine Alma Mater,
weshalb er uns war ein guter Reisevater.
Nun sollt ihr aber nicht länger warten,
denn ich werd’ mit der Geschichte starten:
Es klappt doch! In Pandemiezeiten eine Kursfahrt! Kürzer zwar, mit Tests und Maske zwar Nur nach Münster zwar, aber – immerhin: Am frühen Morgen des 17. Septembers 2021 stehen wir, die Schülerinnen und Schüler des Deutsch- und Bioleistungskurses, zusammen mit Frau Freund und Herrn Marković auf dem grauen Vorplatz des Koblenzer Hauptbahnhofes. Wir alle sind geimpft bis auf einen, der aber gerade negativ und damit positiv entspannt aus dem Testcontainer tritt. Daumen hoch! Der Zug, der uns nach Münster bringen soll, ist voll. Also Maske auf. Gut, dass Frau Freund beim Bestellen der Karten reserviert hat, schlecht, dass Herr Marković in der Eile die Reservierungsnummern der Rückfahrt vorgelesen hat. Am Ende sitzen wir aber alle, und nach dreistündiger Zugfahrt steigen wir nun erleichtert und voller Tatendrang aus dem Zug aus.
Das Hotel „Marco Polo” ist noch nicht ganz fertig geworden mit der Zimmerreinigung, also stellen wir unsere Koffer erst einmal ab und erkunden die Hinterbahnhofsgegend des Bremer Platzes. Hier sieht es eher nach Duisburger Slum aus: Die Ditib Moschee als Nachbar links entlässt gerade einen Schwung junger Männer. Gegenüber häufen sich Hunderte von Fahrrradleichen und Elektrorollern vor einem Zweirad-Parkhaus. Auf dem Kinderspielplatz des Bremer Platzes tummeln sich an die vierzig Obdachlose, gegenüber entsteht ein neues Edelbüroviertel, und Massen von Student*innen zischen auf ihren „Leezen” über die Fahrradwege, dass man höllisch aufpassen muss, nicht überfahren zu werden.
Gestärkt durch ein Essen beim Dönerladen um die Ecke oder einen Restaurantbesuch geht es nach dem Einchecken (überraschend geschmackvoll eingerichtete Zimmer und freundliches Personal!) zur Stadtführung mit Greet Verduyn, einer Flämin, die einst ihr Herz für die Bischofsstadt entdeckt hatte. Sofort macht sie uns mit den einzigartigen Sehenswürdigkeiten der Stadt vertraut:
Etwa das imposante gotische Rathaus, das den Friedenssaal beherbergt, in dem der Dreißigjährige Krieg endlich sein friedliches Ende fand. Eine historische Schauspieltruppe probt gerade in historischen Kostümen ein Stück zur Gedenkfeier und sorgt so für zusätzliche Anschaulichkeit.
Oder die „Promenade”, ein ringförmiger Park an Stelle der alten Stadtmauer, der Joggingkurs, Fahrradautobahn und Naherholungsgebiet gleichzeitig ist.
Die Wilhelmsuniversität mit Fürstenberghaus, Juridikum, Bibliothek (Mauerspruch: „Gehorche niemandem!”) und Überwasserkirche (dort wurde gerade ein Münsteraner Tatort gedreht, und wer Glück hatte, sah Kommissar Thiel auf dem Rad am Wilsberg-Antiquariat vorbei zur nächsten Leiche zischen. Unserer Vorgruppe gelang sogar ein Selfie mit Thiel und Börne!).
Am Dom vorbei (es ist gerade Beichtzeit, sodass wir die astronomische Uhr nicht gemeinsam erklärt bekommen können) spricht Frau Verduyn vor der Statue des Kardinals von Galen auch die dunklen Zeiten des Nationalsozialismus und der Euthanasie an.
Am Ende der Tour steht die Lambertikirche mit dem weithin sichtbaren Spitzturm, von dem bis heute ein Türmer, aktuell eine Türmerin, mit Hornstößen vor Feuer warnt und an dem bis heute die Käfige der Wiedertäufer hängen. Die Führer dieser radikal-evangelischen christlichen Taliban predigten die Vielweiberei und den Kommunismus, führten Krieg mit dem Bischof von Münster und wurden am Ende besiegt, zur öffentlichen Foltertournee über die Dörfer geschickt und am Ende hingerichtet und in den bis heute sichtbaren Käfigen an den Kirchturm gehängt. Auf dem Vorplatz stellt gerade ein Kiepenkerl mit blauem Kittel und rotem Halstuch zusammen mit einem Zylindermann die Lamberti-Pyramide auf, und ein Trupp „alter Herren” der katholischen, nichtschlagenden, Farben tragenden Studentenverbindung Winfridia zu Breslau mit hellgrünem Hinterhauptscouleur und Leibband schwelgt in Nostalgie.
Nach einer kurzweiligen freien Zeit, durch erholsame Cafébesuche geprägt, geht es mit dem jeweiligen Stammkurs los zum Restaurantbesuch. Am Aasee findet der Biologiekurs Bewirtung im „HIER UND JETZT“, der Deutschkurs sammelt sich im „Prütt-Café” um den Tisch, um vegan zu schwelgen. Nach einer Zeit voller Geschichten, Anekdoten und angeregten Gesprächen entlassen uns Frau Freund und Herr Marković ins wilde und pulsierende Nachtleben der Stadt. Egal ob es ein entspannter Abend am Dortmund-Ems-Kanal oder eine wilde Partynacht in den unzähligen Nachtklubs war, hatten wir alle unseren Spaß. „Es war die beste Nacht meines Lebens“ -E.C.F..
Mehr oder weniger fit geht es für uns alle mit einem gehaltvollen und stärkenden Frühstück um neun Uhr am nächsten Tag weiter. Auf dem bunten Wochenmarktgewimmel am Domplatz oder ganz profan in einem Discounter decken wir uns mit Picknickvorräten ein, schieben dann ein Fahrrad aus der Leihstation am Bahnhof und setten uns auf die Spuren der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff.
Dr. Ansgar Raschke, ein Studienkollege von Herrn Marković und Hobby-Trekkingradler, und seine Frau Marion Raschke-Klose, Apotheker*innenausbilderin und Münsteraner Maria-2.0-Aktivistin, führen uns von nun an fachkundig durch die verkehrsüberfüllten Münsteraner Gassen und über Feld und Wald zur Burg Hülshoff. Die Raschkes kennen jeden Schleichweg und jeden Aussichtspunkt, an dem sich wunderschöne Panoramablicke auf die Segelregatten des Aasees oder die westfälische Parklandschaft eröffnen. Vorbei am Dorf Roxel und an riesigen ziegelsteinroten Bauernhöfen und Gestüten erreichen wir den malerischen Park rund um das Wasserschloss Burg Hülshoff, eher eine Art Pfalz der Truchsessen (westf. „Drosten”) des Fürstbischofs von Münster als eine Wehranlage.
Hier wuchs die bekannte Dichterin Annette von Droste Hülshoff auf. Mittels einer Audioführung können wir ihr geschmackvolles Zuhause bestaunen und entdecken sogar die Grafittis, die sie mit der Silberstichnadel in die Fensterscheiben geritzt hat. Nach einem anschließenden gemeinsamen Picknick im sonnigen Burgpark machen wir uns auf zum Rüschhaus, leider noch geschlossen. Dort lebte die Droste, nachdem ihr Bruder die Burg geerbt hatte, und übernahm die Pflege ihrer alten Amme und ihre Mutter, die sie bis zum Tod begleitete. Hier bildete sich das Talent der ersten großen deutschen Dichterin voll aus und brach sich Bahn, bis es am Bodensee voll zur Entfaltung kam. Zurück geht es vorbei am Annette von Droste-Hülshoff—Park und vorbei an der Büste in den Promenadenwiesen am Pulverturm.
Umgehauen von der beispiellosen Schönheit des Münsterlandes und der lebendigen Stadt beginnen einige am zweiten Abend zu überlegen, ob nicht Münster ein möglicher Studienort werden könnte.
Angetrieben durch die Lust auf die nächste ereignisreiche Nacht schwärmen wir, wie am Abend zuvor, in die Restaurants, Kneipen und Bars der Stadt aus.
Am nächsten Morgen beginnen wir unseren letzten Tag mit einem reichhaltigen Frühstück im Hotel. Danach haben wir wieder eine Zeit zur freien Verfügung mit der Gelegenheit zu einem Museumsbesuch. Das Stadtmuseum bietet interessante Einblicke in die Vergangenheit, das Landesmuseum zeigt überraschende Werke der modernen Kunst, überall stehen mehr oder weniger provokante Skulpturen. Der Dom war nun offen und ganz Fromme besuchen die Domschatzkammer oder das Bibelmuseum.
Um 14:00 Uhr sitzen wir wieder im Zug zurück nach Koblenz, voll mit Eindrücken einer quirligen Fahrradstadt und leeren „Batterien”, als müde wie ein Hund.
Rückblickend lässt sich die Kursfahrt mit einem Zitat der Droste beschreiben:
„Wer sich scheut, die Spreu zu durchsuchen, der wird das verschüttete Korn nicht finden.“
Von Franz Hofmeir, ergänzt durch Julia Geil und Peter Marković