„Dieser Abend sieht bestimmt ein Morgen!” Dies war das überzeugt begeisterte Fazit des Publikums in der Florinskirche. In der britischen Tradition des „Evensongs” boten die verschiedenen Chor und Musikensembles des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums in einem grandiosen Konzert einen Überblick aktueller Kirchenmusik, dessen Höhepunkt die Welturaufführung des Werkes „Dialog 1 & 2” von Christian Rivinius war.
Nach dem „Requiem” von G. Fauré und der „Schöpfung” von Th. Gabriel hatte das 15. Cusanus-Konzert große Erwartungen geweckt. Manch einer hatte dabei misstrauisch auf die Musikauswahl dieses Abends geblickt und das „große Werk” vermisst.
Aber genau das war das Konzept von Organisator Christian Rivinius und Mitdirigent Wolfram Hartleif: einen musikalischen Abend zu gestalten, der die Vielfalt kirchenmusikalischer Möglichkeiten aufzeigt und dabei die Verbindung von moderner Tonsprache des 20. Jahrhunderts und alltagstauglicher Melodik herstellt. Rivinius‘ Auswahl der Stücke zeugt von großer Kenntnis seines Faches und auch von Mut, Außergewöhnliches zu wagen.
Der Einstieg ins Konzert beginnt spätklassisch. Möglicherweise geprägt durch die Panoramen der Alpen, zeigt der Liechtensteiner Komponist Joseph G. Rheinberger in seinen an die Tonsprache Mozarts und Bachs angelehnten Werken „Preludio” und „Cantilene” seine Kompositionskunst, von Thomas Maur an der Trompete und Christian Rivinius an der Orgel an der Orgel mit besonderem Schmelz umgesetzt. Besonders Maurs Piccolotrompete liefert dazu einen milden und in sich versunkenen Klang, der einem Sich-Erinnern an das Erlöstsein gleicht.
Rheinbergers „Alltagstauglichkeit” stellen auch die Klassen 6b und 6c des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums mit ihrer Aufführung der „Missa für Singstimme und Orgel”, geführt von Wolfram Hartleif, unter Beweis. Sein humorvolles Dirigat formt die sechzigköpfige Rasselbande zu einem hochkonzentrierten Instrument. Hier wird Kirchenchor-Nachwuchsarbeit „at its best” betrieben, wie auch Schulleiter Carl Josef Reitz in seiner Dankesrede an die Musiker bemerkte.
Die (Big)-Band „Music Makers” kontrastiert mit ihrer Version des Gospels „Swing low” und der Jazz-Improvisation „Wake Up In The Morning”, die den 6ern besonders in die Beine gehen und sie genauso zucken lassen, wie es damals ihre Großväter taten, zu Benny Goodmans Zeiten.
Damit sind die Eckpunkte für den Einsatz des Projektchors „CantArte” gesetzt: Singbare Melodien, gepaart mit „fetzigen” Rhythmen. Melodiöse Evensong-Hits wie z.B. Samuel Wesleys „Lead me, Lord” kontrastieren mit rhythmischen Stücken wie Thomas Gabriels „In der Mitte der Nacht” oder Peter Planyavskys „Der 269. Psalm”, um nur zwei der insgesamt 7 Chorstücke zu nennen, die der Chor unter Christian Rivinius‘ Leitung in einem guten Dutzend langer Chorabende in seiner Freizeit erarbeitet hat.
Den erwachsenen Sängerinnen und Sängern stehen die jungen Stimmen des Schulchors in nichts nach. Konzentriert und stimmrein intonieren sie drei Chorwerke zeitgenössischer Komponisten wie dem Frankfurter Alejandro Vecina oder Karl. B. Kropf, deren sinnlich-retrospektive impressionistische Tonsprache einen besinnlichen Akzent setzt. Hervorzuheben ist, wie durchsichtig die jugendlichen Stimmen die verschiedenen Tonsätze - etwa bei Ralph V. Williams „Der Abend kommt” - machen und wie aufmerksam sie den dynamischen Dirigatvorgaben folgen. Hier erkennt man Wolfram Hartleifs hochgesteckte didaktische Ziele und gelungene Gehörbildung, besonders bei dem anspruchsvollen „Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen”.
Zu welch außergewöhnlichen Leistungen junge Musiker in der Lage sind, stellt sich in den beiden „Dialogen”unter Beweis, die Christian Rivinius für sein Ensemble, bestehend aus einem 13er Grundkurs und weiteren Instumentalist/inn/en der Oberstufe, eigens komponiert und arrangiert hat: „Dialog 1 – Improvisationen über Christus, du unser Tag und Licht” greift die benediktinische Antiphon auf und kontrastiert die Gregorianik mit Progressive-Rock-Elementen in der Tradition von Bands wie „Exeption”, „Eloy” oder „Novalis”. Eindrucksvolles Schlagzeug und mitreißender Groove versetzen das Publikum in Bewegung.
Besonders der „Dialog 2 - Improvisationen über „Laudate Dominum” und „Nunc dimittis” erinnert an Qualitätsbands wie „Renaissance”. Hier kommt im Wechselspiel mit der Orgel das Glockenregister der Florinskirche besonders eindrucksvoll zur Geltung. Die 6er hält es kaum auf den Sitzen, so verzückt sind sie von den Klangeffekten und Improvisationen der Bandmitglieder.
Wie weltumspannend moderne Kirchenmusik sein kann, dafür stehen drei Orgelstücke: Lars Egebjers „Melodi fran Järna i Dalarna” führt uns ins schwermütig-verhaltene schwedische Dämmerlicht. Die „Fanfare with Promenade” der 2011 leider verstorbenen australischen Komponistin Rosalie Bonighton dagegen strotzt nur so vor christlichem Erlösungsbewusstsein. Durch Christian Rivinius und Thomas Maur erhält das Stück dialogische Kraft und Genialität. In strahlender Gelassenheit füllt ihr virtuoses Spiel den Raum. Die Idee, die Titel im Wortsinn musikalisch ernst zu nehmen, bewährt sich auch bei Noel Rawsthornes pompösen Einzugsmarsch „Processional Fanfare”.
Am Ende vereinigen sich Chorgruppen und Instrumentalisten zu Thomas Gabriels „Te lucis ante terminum” und lassen aus Luise Hensels Kindergebet „Müde bin ich, geh zur Ruh” einen gewaltigen Hymnus entstehen, der das Publikum sanft in den Schlummer begleiten wird. Wenn es am Mittwochmorgen mit den Music Makers heißt: „Wake Up In The Morning”, dann wird man in den Tag hineingehen, gestärkt durch die erhebende Musik des 15. Cusanus-Konzertes. Standing Ovations des Publikums waren dann auch der Lohn der kleinen und großen Künstler.
Ein besonderer Dank gilt Herrn Rosenbach und allen Helfern für den Bühnenbau, den Eltern für ihre Unterstützung und dem Team der Pfarrei St. Florin für die Bereitstellung der Kirche samt allem „Drum und Dran”. Ohne diese Selbstaufopferung wäre so ein Konzert nicht möglich.
Peter Markovic