Wer bin ich? Woher komme ich? Und wohin gehe ich? Wie sehe ich mein eigenes Leben und was macht dieses eigentlich aus?
Diese Fragen beschäftigen den Menschen bereits seit der Antike und haben bis heute nichts an Bedeutsamkeit eingebüßt.
Diese existentiellen Fragen laufen in ihrer Summe auf eine entscheidende hinaus: Was ist ein gelingendes Leben?
Gerade jetzt, da sich in unserem Alter große Lebensumbrüche anbahnen, sich neue Perspektiven und Hoffnungen, aber auch Ängste und Zweifel einstellen, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um über solch existenzielle Fragen nachzudenken.
Nach einem einführenden Vortrag von Prof. Arbogast Schmitt über antike Konzepte eines gelingenden Lebens fanden sich 20 Schülerinnen und Schüler im Zuge der diesjährigen Abiturienten-Akademie im Haus Marienland (Vallendar) in drei verschiedenen Seminargruppen zusammen:
Gemeinsam mit Frau Baumann und Herrn Otto beschäftigten sich die Schüler mit dem Spannungsverhältnis zwischen individuellen Wünschen und gesellschaftlichen Erwartungen. Wie sollen wir mit den Rollen umgehen, die wir tagtäglich spielen? Ob Schüler, Student, Musiker, Eltern, privat oder öffentlich – unentwegt nehmen wir Rollen ein. Doch was bedeutet dies für das Individuum? Sind wir diesen Rollen gewachsen? Oder kann unsere Individualität die Rolle maßgeblich prägen? Als theoretische Grundlage dienten hier Werke Helmuth Plessners und Martin Heideggers.
Herr Reitz und Herr Orth diskutierten mit Schülern über Augustinus, Paulus und Luther. Jeder der drei Denker entwickelte einen eigenen Freiheitsbegriff. So fragte man sich bei diesem Seminar: Wie lebe ich frei?
Herr Barth und Herr Holstege leiteten das Seminar, das sich mit Jean-Paul Sartre, einem Hauptvertreter des französischen Existenzialismus, auseinandersetzte. Hier wurde das Theaterstück „Huis clos“ (Geschlossene Gesellschaft) genauer untersucht. Insbesondere der Satz „Der Blick der anderen ist die Hölle“ war zentraler Bestandteil der Diskussionen. Was meint Sartre damit? Ist das Leben so schrecklich? Und wir kann es dennoch gelingen?
Obgleich diese Fragen vielleicht zunächst rein theoretisch erscheinen mögen, gelang es allen Beteiligten, sich gleichermaßen für diese Fragen zu begeistern. In einer praktischen Vorgehensweise wurde in allen drei Gruppen erkenntnisreich, humorvoll und kontrovers diskutiert. Der gemeinsame Diskurs war stets konstruktiv und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass alle Teilnehmer viel gelernt haben.
Die individuell erarbeiteten Ergebnisse wurden schließlich in einer gemeinsamen Abschlussrunde ausgetauscht, sodass ein weiterer übergreifender Dialog entstehen konnte.
Hervorzuheben ist auch ein spannendes Gespräch mit dem Gefängnisseelsorger Klaus Hamburger, der den Schülern abermals eine neue Perspektive auf das Thema des gelingenden Lebens bot.
Auch abseits der Seminarräume war die Stimmung stets entspannt und freundschaftlich.
Wie üblich in der Philosophie, hätte man sicherlich noch Wochen in diesen Gruppen weiter arbeiten können, ohne dass man das Gefühl hätte, es wäre schon alles gesagt.
Dies ist einmal mehr der Beweis für das gelungene Konzept der Akademie aber auch der Begeisterungsfähigkeit der Lehrer und Schüler.
Timo Feilen